4/06/2018

Lilli und Lilian
sprechen diesen Ruf nach, bis sie ihn auswendig können. Danach verabschiedet Iva sich, hebt ihre Arme und fliegt in einer silbernen Wolke durch das Fenster davon.
Nur zwei Kerzen erhellen jetzt den Raum. Die Dämmerung senkt sich nieder, der Tag will ruhig werden und in die Nacht übergehen.
„Es ist Zeit, dass wir schlafen, morgen haben wir wieder viel zu tun. Wir müssen unseren Proviant vorbereiten.“ Er holt sein Bündel und schnürt es auf.
„Lilli, ich kann die Mistelzweige nicht finden! Wo können sie bloß sein. Zuletzt haben wir sie beim Ochsenwirt benutzt!“
„Lass mich nachschauen, bitte!“ bittet Lilli. Sie nimmt das Bündel und holt Taschentücher, die lederne Geldbörse und den Becher heraus. Tatsächlich keine Spur von den Zweigen. Nur drei einzelne vertrocknete Beeren liegen am Grund des Beutels.
“Wirklich, sie sind fort. Wie konnte das geschehen?“
„Ich weiß es nicht, Lilli, ich verstehe es nicht!“ Er vergräbt seine Hände im Haar und fährt darin herum. „So viel Zauberei, wie wir sie in den letzten Tagen erlebt haben – da wundert es mich nicht, dass die Zweige auf einmal fort sind. Lass uns doch in die Kugel schauen, dann sehen wir meine Mutter und Livana.“
„Ich finde, du solltest jetzt nicht da hinein schauen, sondern dich ausruhen!“
„Nein, dann hätte ich doch erst recht keine Ruhe.“
„Komm, leg dich hin, morgen früh ist früh genug. Du bist doch müde.“
„Wie du meinst, Lilli“, er steht auf, geht zum Bett und legt sich hin.
„Kommst du auch bald ins Bett?“
„Ich räume noch etwas auf, ich lege mich gleich hin.“

Sie geht mit einer weichen Decke zu Lilians Bett und deckt ihn zu. Er hat schon die Augen geschlossen. Seine dunklen Wimpern überschatten die Wangen, sein Haar breitet sich auf dem Kissen aus. Sein Gesicht sieht angespannt und müde aus. Lilli seufzt, geht zur Tür und leise hinaus. Die Quelle plätschert und am Himmel blinkt ein Stern besonders hell. Der Mond hält sich noch versteckt. Sie setzt sich auf die Holzbank neben der Tür und legt die Hände zusammen. Es ist etwas kühl geworden, die Wipfel rauschen. Etwas Feuchtes berührt ihre Wange. Stella war leise herbeigekommen. Lilli steht auf und umarmt sie. Sie spürt das Pochen der Halsschlagader und die wohlige Wärme des silbrigen Fells. 

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