3/31/2018

Ein Wiedersehen
„Oh Lilian, das haben wir jetzt hinter uns. Wie froh ich bin! Ich möchte nie mehr in diese Gegend zurückkommen. Wenn wir Ebarus nicht gehabt hätten, es hätte böse ausgehen können.“
„Das hätte es, Lilli, ich kann noch gar nicht glauben, wie alles abgelaufen ist. Wir werden nicht mehr hierherkommen, das Böse lauert in diesem Ort. Ich möchte mich zu gern etwas säubern!“ Er reckt seine Arme „oh, das tut weh, aber es hätte viel schlimmer kommen können!“
„Ja, kannst du denn überhaupt in diesem Zustand reisen? Eigentlich brauchst du jetzt etwas Ruhe und Erholung von der Anstrengung und dem Schock!“
„Ich trinke aus meinem Becher, das wird mich kräftigen. Du brauchst auch einen Schluck oder zwei, es war alles aufregend genug!“
„Ja“, sie seufzt aus tiefstem Herzen, „wirklich. Ich möchte ein bisschen von der Flüssigkeit auf deine Wunden streichen, das hilft auch!“
„Oh, wirklich, das ist eine gute Idee, gern!“
Sie tranken und beiden ging es besser, nachdem sie getrunken hatten. Lilian fühlte neue Kraft in sich hinein strömen, Lilli bestrich seine Wunden und sie begannen sofort weniger zu schmerzen und sahen besser aus.
„Die Mohnblumenfrau wusste schon, warum sie dir den Becher gab. Sie muss dich sehr liebhaben, Lilian.“
„Oh ja, sie war meine zweite Mutter und ich konnte mich auf sie verlassen, immer. Ich hoffe, du wirst sie bald kennenlernen.“
„Oh ja, das möchte ich. Bestimmt kann ich viel von ihr lernen!“
Sie gingen zu den Pferden und bemerkten, wie Marengo sein linkes Vorderbein etwas anhob, es wieder aufsetzte und wieder anhob. Lilli beugte sich vor und untersuchte das Bein. Am Huf sahen sie, dass das Hufeisen an einer Stelle locker war, der Nagel schien abgenutzt.
„Lilian, wir müssen nach einer Schmiede suchen. Marengos Hufeisen muss neu beschlagen werden.“
„Gut Lilli, lass uns gehen und nach einem Schmied schauen. Bestimmt wird einer hier im Dorf sein.“




3/30/2018

Das zynisch verzogene Breitmaul Rorkas starrt ihnen entgegen. Ähnlich aussehende Wesen tauchen hinter ihm aus dem Wasser auf. Eine feucht schimmernde Sänfte, aus Schilf und Binsen kunstvoll geflochten ziehen sie aus dem Wasser, setzen sie ab und heraus steigt Maro, der Fürst des Moors, riesig und bedeckt mit langen Haaren, die ihm zu den Füßen reichen. Darunter blitzt ein Schuppenhemd hervor.
„Du hast mich herausgefordert, Lilian, willst du immer noch kämpfen? Du zwingst mich hier so früh zu erscheinen und meinen Schlaf zu opfern. Das wirst du büßen!“
„Maro – heute wird das Leiden Derjenigen ein Ende haben, die du schon so lange quälst. Auch wir haben es eilig und wollen den Weg übers Moor nehmen und nicht von Dir gehindert werden. Ich habe keine Wahl, sondern muss all dem ein Ende setzen! Es steht geschrieben! Die Bauern werden das Moor trockenlegen, nachdem ich dich erledigt habe! Die Bevölkerung wird es nutzen für Brennmaterial!“
Lilian steigt ab, nachdem er alles gesagt hat, er geht drei Schritte vorwärts. Lilli steigt ebenfalls ab und bindet die Pferde an eine Esche in der Nähe. Sie kann kaum die Knoten schlingen, so sehr zittert sie. Sie streichelt Marengo und drückte sich an ihn.
Am Himmel erscheint eine dunkle Wolke – ein Vogelschwarm ist es und nähert sich schnell. Lili blickt nach oben, sie hört keine Laute, wie sie sonst von fliegenden Vögeln ausgestoßen werden.
„Bist du bereit, Lilian? Wir werden ringen!“ dröhnt Maros Stimme.
Lilli wird schwindelig, sie hört Lilian:„Ich bin bereit, Maro!“
Lilian geht noch zwei Schritte vor, sie stehen sich jetzt gegenüber, mit einem wilden Schrei stürzt Maro sich auf Lillian, will ihn umklammern, Lilian reißt die Arme hoch und umschlingt den feuchten glitschigen Körper seines Gegners, dessen lange nasse Haare verwandeln sich in Schlangen und ringeln sich um Lilian. Die Vögel sind jetzt nähergekommen und stürzen sich mit einem Schrei in einer einzigen Bewegung auf Maro, krallen sich in seinen Rücken,  heben ihn hoch, tragen ihn zu einem entfernten Platz und beginnen ihn und die Schlangen systematisch zu zerhacken. Ebarus steht vor Lilian, Lilli ist jetzt dazugekommen-
„Mein Freund!“ bringt Lilian heraus, er kann kaum sprechen, ist so erregt und spricht weiter „wie kann ich dir nur danken, du hast unser Leben gerettet.“ Andere Vögel haben sich inzwischen auf Rorka und Maros Vasallen gestürzt und bringen sie in ihre Gewalt.
„Dieses Monster wird niemanden mehr drangsalieren, ihr könnt jetzt weiterziehen!“
Lilian und Lilli sind noch völlig überwältigt von diesem Ereignis und können nur immer wieder „danke, danke, danke“ zu Ebarus sagen.
„Von den Ungeheuern wird nichts übrig bleiben, ihr könnt getrost fortgehen und beruhigt sein!“ fährt Ebarus fort. Einige der Vögel hatte sich auf der Esche niedergelassen und stießen siegreiche Schreie aus. Lilian und Lilli winkten ihnen zu.
„Wann sehen wir dich wieder, Ebarus?“ fragt Lillian.
„Ich werde immer wiederkommen, wenn ihr mich braucht. Seid ganz beruhigt. Viel Erfolg bei eurer Suche, bald sehen wir uns wieder! Ihr werdet alles schaffen!“ Damit schwingt Ebarus sich in die Höhe und die Vögel folgen ihm.
Lilli und Lilian schauen zu in der hellen Morgensonne, wie ein Vogel nach dem anderen in die Luft steigt und davonfliegt. Diesmal hört man ihr heiseres Krächzen laut und deutlich, die Sieger ziehen davon.
„Ich werde dies nie vergessen,“ murmelt Lilli, unsere erste große Prüfung heute Morgen und die wundersame Rettung durch deinen treuen Ebarus!“ Lilian nickt und nimmt ihre Hand.

Stella und Marengo warten geduldig und nicken freudig, als die beiden näherkommen und sie herzen und umarmen. 


3/29/2018

Gegen Morgen, in der grauen Stunde vor Sonnenaufgang landet Ebarus wieder auf dem Fenstersims und klopfte sacht mit seineseinem Schnabel gegen den Holzladen. Er wartete und wusste gleich wird Lilian kommen. Lilian hatte ihn gehört, blickte zur Seite, Lilli schlief fest, er schwang seine Beine vorsichtig über den Bettrahmen und schlich barfuß zum Fenster.
„Seid ihr bereit?“ krächzte Ebarus, „ihr solltet nun diesen Platz hier verlassen!“ Lilian flüsterte „wir kommen,““, schlich zum Bett zurück und strich vorsichtig über Lillis Arm. „Aufstehen, Lilli, komm‘, wir trinken aus unserem Becher und machen uns stark!“
„Oh, gut dass wir dieses Mittel haben“ erwiderte sie, richtete sich auf und wartete. Lilian holte den Kuhledersack, öffnete ihn und griff nach dem Becher. Er setzte ihn an seine Lippen und spürte die köstliche bittersüße Flüssigkeit auf der Zunge und die Kehle herunter rinnen. Er reichte Lilli den Becher und auch sie trank. „Mir ist ganz warm!“ rief sie aus „ich fühle mich stark!“
„Oh ja, ich auch, du siehst, das Getränk wirkt Wunder, wie gut, dass wir es haben.“
Schnell packen sie ihre Sachen zusammen, Lilli holt noch einiges aus ihrem Zimmer, zieht sich Stiefel an und eine warme Jacke, die Lilian für sie dabeihat. Sie gehen die Treppe hinunter in die Küche, Olga wartet schon und reicht ihnen das Vesperpaket. Sie verabschieden sich, gehen zum Stall und begrüßen zärtlich ihre Pferde. Sie steigen auf und traben über den stillen Marktplatz. Die Uhr schlägt sechsmal. Die dunklen Arme der Nacht heben sich hinweg und langsam wird es heller. Schweigend reiten sie die Dorfstraße entlang, die bald in einem Feldweg endet. Nicht weit entfernt kommen sie einem Wäldchen näher und näher, das das Moor begrenzt. Je näher sie kommen, umso weicher wird der Boden. Rechts von ihnen erscheint blinkendes Wasser mit Grasinseln und Binsenbüscheln. Ruhig liegt das Wasser. Die Pferde werden langsamer. Auf einer Esche sitzt Ebarus. Sie halten an und blicken sich um.
„Wann sie wohl kommen?“ flüstert Lilli.

„Sie sind schon da, sieh!“

3/28/2018




Lilian konnte nicht einschlafen. Er hörte Lillis Atemzüge neben sich und dachte an die Verantwortung, die er für sie trug.
Er sah sich selbst auf Stella im Moor reiten, die Morgensonne langsam aufgehend am Rand des Moores und aus den Schatten erschienen Rorka, an seiner Seite ein Komplice,  Mora, schwarzgrünlich schillernd und nass, ihre breiten Mäuler grinsend verzogen. Stella warf den Kopf zurück und wieherte laut.
Er stellte sich vor, wie die beiden Ungeheuer sich ihm entgegenwarfen und wie er sie mit Stellas Hilfe besiegen würde.
Dann fiel er in einen unruhigen Schlaf.
Lavendel, Büschel, Verkauf, Blau, Strauß, Sträußchen




„Ach, Livana, wie schön wäre das…ich glaube nicht, dass sich ein Schiff an diesen Strand wagen wird…“! Sie hilft Livana beim Aufstehen, gemeinsam gehen sie durch die Dünen davon. An einem Felsen krümmt sich der Weg. An seine Rückseite gebaut lehnt ein Holzhaus, bedeckt von einem dicken Reetdach. Ein weiß-grauer Zaun läuft ums Haus. Das Seewetter hat ihn ausgeblichen. Die Pforte ist angelehnt und der gepflasterte Weg führt durch einen Steingarten.  Die blaue Tür teilt teilt sich in einen oberen und unteren Teil. Im Herd glimmt noch das Feuer und die Mutter setzt einen Kessel auf die Ofenringe. Das Wasser beginnt bald zu summen, die Mutter tut eine Handvoll Kräuter hinein. Ein lieblicher Duft zieht durch den Raum. Livana hat sich aufs Bett gelegt und massiert sanft ihre Stirn. „Trink diesen Tee, meine Süße, bald wird es dir besser gehen.“ Sie reicht ihr einen Becher, Livana richtet sich auf und trinkt vorsichtig. „Es wird bald besser sein, mein Liebling, trink den Tee und bleibe liegen. Auch der Wind wird sich bald legen.“

Lilli und Lilian sehen zu, wie die Mutter Livana zudeckt.
„Sieh, wie allein sie sind“, flüstert Lilian. „Wir werden sie bald finden, Stella wird uns hinführen. Sie hat einen untrüglichen sechsten Sinn.“
Das Bild in der Kugel verschwimmt und bald sehen sie nur noch die silbern glänzende Oberfläche.
„Lass uns jetzt noch ein wenig schlafen, Lilli. Die Nacht ist so kurz geworden.“
„Bitte lass mich hier schlafen, ich habe Angst allein in meinem Zimmer.“

Sie legen sich nebeneinander aufs Bett und kaum liegt Lilli, fallen ihr die Augenlider zu.

3/27/2018

„Lilli“, fährt Lilian fort, „gerade wollte ich nachschauen, wie es meiner Mutter und meiner Schwester geht. Wir dürfen keine Zeit vergeuden. Morgen früh werden wir etwas erleben, das uns aufhalten wird und auch gefährlich ist. Maro, der Moorfürst will uns nicht durchs Moor reiten lassen. Der Ochsenwirt hat ihn besucht und ihm erzählt, dass wir kommen werden. Maro wird uns nicht durchlassen. Ich werde mit ihm kämpfen müssen. Nicht nur für uns, sondern für alle Menschen hier, die gern die Abkürzung benutzen würden, es vor Angst aber nicht tun. Auch die Mistelbeeren  zeigen an, das etwas nicht stimmt. Lass uns in die Kugel schauen, ob ich etwas erkennen kann.“
Sprachlos schaut Lilli von Lilian zu Ebarus. „Ich muss jetzt weiterfliegen!“ sagt er, „ich muss jagen, sonst bin ich morgen früh zu hungrig. Dann komme ich und stehe euch bei. Darauf könnt ihr euch verlassen! Ade ihr beiden!“ Damit schwirrt er davon.
Lillian hat die Silberkugel aus seiner Tasche geholt und hält sie auf seiner Handfläche. Während er auf die schimmernde Kugel schaut, verdunkelt sie sich etwas, wird dann wieder heller und er sieht, wie Gestalten erscheinen. Auf einen Strand klatschen graue, schaumgekrönte Wellen, weißer Gischt sprüht in die Luft. Weiße spitzenähnliche Muster bilden sich am Saum des Wassers. Ein Schiff erscheint am Horizont weit draußen. Livana sitzt auf dem Sand, ihre Hände um die Knie geschlungen. Ihr langes dunkles Haar weht im Wind. Sie blickt geradeaus. Eine Frauengestalt läuft auf sie zu, ein langer Rock schleift auf dem steinigen Strand.
„Komm‘ ins Haus, Livana, es ist zu kalt um hier zu sitzen.“!

„Mutter, siehst du das Schiff dort hinten? Vielleicht kommt es, um uns abzuholen!“


3/23/2018




Damit war Rorka verschwunden, er hatte sich unsichtbar gemacht oder aufgelöst – wer konnte das schon wissen? Auf dem Fußboden glitzerten zwei größere Wasserlachen…
„Ebarus, du hast doch gehört, was morgen geschehen soll. Bleib noch ein wenig bei mir, bevor du weiter durch die Nacht streifst. Ich kann jetzt nicht schlafen. Gut, dass Lilli schläft und noch nicht weiß, was uns bevorsteht. Mir ist klar, dass der Kampf schwer werden wird – ich bin trotzdem zuversichtlich.“
„Lilian, du hast dir sehr viel vorgenommen. Schon als kleiner Junge hast du ja gelernt, wie man kämpft, daher habe ich keine Angst um dich. Aber wohin wollt ihr denn und wer ist Lilli? Was hast du vor?“
„Ach, Ebarus, das ist eine lange Geschichte. Wir suchen meine Mutter und meine Schwester Livana. Sie sind schon viele Jahre bei einem Zauberer im Sturmland gefangen. Ich zeige dir, wie ich nachschauen kann, wie es ihnen geht.“
Lilian geht zur Tür und schaut nach, ob sie auch wirklich verschlossen ist. Er  öffnet dann seinen Kuhledersack und holt das Mistelsträußchen heraus. „Schau, Ebarus, siehst Du die Mistelbeeren? Sie glänzen heute nicht mehr so wie noch gestern. Das bedeutet, es geht ihnen beiden nicht mehr so gut.
Es klopft. Lilian öffnet, draußen steht Lilli. „Darf ich hereinkommen, ich hörte Stimmen und wurde wach, ist alles in Ordnung?“
„Ja, ist es, Lilli, komm‘, mein alter Freund ist hier, er heißt Ebarus. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit, er ist sehr klug!“!

Ebarus spreizt ein wenig die Flügel und nickt mit dem Kopf. Ohne Angst geht Lilli zu ihm und begrüßt ihn mit den Worten „Wie nett, dich kennenzulernen, Ebarus, ich heiße Lilli!!“ Sie berührt zart seine Flügelspitze.

3/22/2018







Lilian ging auf und ab in seinem Zimmer und schüttelte den Kopf. Auf dem Fenstersims wartete Ebarus geduldig. „Bitte Ebarus, teile Maro meinen Entschluss mit!“
„Das ist nicht mehr nötig“ antwortete eine Stimme und als Lilian sich umdrehte, erblickte er eine schwarzgrün glitzernde Gestalt. Er nahm den süßlichen Modergeruch wahr, der ihm aufgefallen war, als er das Zimmer betrat. Jetzt schien es, dass dieser ekelerregende Geruch sich überall verbreitete. Es schauderte Lilian, gleichzeitig erfasste ihn Wut.
Der eng anliegende Anzug des Monsters sowie die Klauen und Füße erinnerten an einen riesigen Frosch. Der breitmäulige Mund dominierte das Gesicht und klappte auf und zu. Die Gestalt begann zu sprechen: “Ich bin Rorka, einer von Maros Vasallen und habe hier auf dich gewartet. Maro hat mir seine Forderung an dich mitgegeben. Nun ist Ebarus mir zuvor gekommen. Ich warne dich, Lilian, mit Maro und uns Vasallen in Feindschaft zu geraten, das wird dir nicht bekommen!“
„Geh‘ mir aus den Augen und bestelle Maro, dass ich vor ihm und seinen Vasallen keine Angst habe. Morgen früh bei Sonnenaufgang werden wir am Moor sein. Meine Pferde und Lilli werden bei mir sein und Zeugen werden, wie ihr uns das Moor freigeben werdet. Maro hat lange genug die Menschen in dieser Gegend und Reisende hier tyrannisiert.“
„Ich sagte bereits, du wirst es noch bereuen, Lilian, keiner ist lebendig geblieben, der sich im Bösen mit Maro eingelassen hat.“


3/20/2018







Als Lilian sein Zimmer betrat, merkte er sofort, dass er nicht allein war. Er konnte niemanden sehen, nur die Luft roch süßlich, vermischt mit etwas Moderigem. Er trat zum Fenster – etwas rauschte über seinem Kopf und vor seinen Augen – das Wesen  ließ sich auf dem Fenstersims nieder. Lilian trat einen Schritt zurück und sah einen großen Raben der ihn ansprach mit krächzender Stimme: “Hab keine Angst, Lilian, ich bin dein Freund und Hüter, ich bin Ebarus, erkennst du mich wieder?  Du  bist sicher überrascht mich hier zu sehen? Ich habe eine Nachricht für dich.
Kalt durchfuhr es Lilian. „Ebarus, woher kommst du so plötzlich? So lange habe ich dich nicht mehr gesehen!“
„Ja, Lilian, du brauchst jetzt meine Hilfe, darum bin ich gekommen. Ihr dürft morgen  auf keinen Fall über das Moor reiten, sonst wird es böse für Euch ausgehen. Noch nie hat jemand es geschafft, das Moor zu überwinden. Wer es versucht hat, wurde Wotan geweiht und weilte danach nicht mehr unter den Lebenden.“
„Ebarus, mich schaudert‘s – wie kommst du darauf?“!
„Lilian, ich flog heute Abend über das Moor und sah, wie der Wirt am Rande stand, eine Laterne schwenkte und rief: ‘Maro, Maro, komm‘ hervor, ich habe Neuigkeiten für dich! ‘
„Schnell landete ich auf einer Esche in der Nähe und hörte, wie er Maro von Euch und Lilli erzählte, dass Ihr bei ihm im Gasthof schlaft und morgen das Moor überqueren wollt. Maro dankte ihm und rief ‚Das kommt mir sehr gelegen. Schon lange habe ich Wotan keine Opfer mehr gebracht. Du tust mir einen sehr großen Gefallen mit dieser Information. Wie wunderbar! Gleich zwei Menschen und zwei Pferde – großartig. Dafür werde ich reich belohnt werden und Ihr auch! ‘ Sprach‘s und begann zu tanzen und sein grünglitzerndes Gewand funkelte und sprühte. Ich sah alles ganz genau!“
„Ebarus, du weißt wie lang der Umweg ist, den wir nehmen müssen. Ich werde der Erste sein, der das Moor betritt und überquert und den Fluch lösen. Nach mir können alle das Moor überqueren und viel Zeit sparen. Ein Fürst der Unterwelt wird mich nicht einschüchtern können.“
„Bitte, Lilian, unterschätze nicht die Kraft und Macht von Maro, er ist sehr mächtig und stark und du bist verantwortlich für Euch, besonders für die kleine Lilli!“

„Ja, und darum muss ich diesen Dämon in seine Schranken weisen. Zu viele unschuldige Menschen wurden irre geführt und mussten sterben.“










Lilli und Lilienprinz treten vor den Gasthof und auf den ruhigen Marktplatz. Die Kirchturmuhr schlägt einmal. Lilienprinz zieht eine goldene Uhr aus seiner Tasche und lässt den Deckel aufschnappen. „Hoffentlich kommt der Wirt bald, es ist schon halb elf“ bemerkt er und steckt die Uhr in seine Jackentasche.
Sie gehen an der Eingangstür vorbei um die Ecke. Im Hof ist alles dunkel. Die Stalltür angelehnt. Vorsichtig zieht Lilienprinz sie auf und begrüßt Stella, dann Marengo. Sie recken die Hälse ihnen entgegen. „Morgen geht’s weiter, meine Gute, jetzt schlafe und ruhe dich aus“ spricht er sie an und sie nickt zustimmend. Marengo schnauft ein wenig, als die beiden sich umdrehen und den Stall verlassen.
„Komm, lass uns schlafen gehen!“ schlägt Lilian vor. Kaum ausgesprochen, hören sie, wie der Wirt Olga fragt: “Sind die beiden neuen Gäste schon in ihren Zimmern?“
„Nein, erwidert sie, sie wollten noch nach den Pferden sehen und sind noch nicht wieder zurück!“
„Wir sind hier!“ mit diesen Worten tritt Lilian ein, von Lilli gefolgt. „Herr Wirt, ich wollte gleich alles zahlen, so dass wir morgen früh bei Sonnenaufgang abreisen können.“
„Ihr wollt also nicht mehr bei uns frühstücken und Euch stärken, bevor Ihr reitet?“
„Nein danke, es wäre schön, wenn Olga einpacken könnte, was wir heute Abend nicht mehr essen konnten.“
„Olga, bereite zwei Pakete für die Herrschaften und lege sie in der Küche zurecht!“
„Wie gewünscht“, antwortet sie und bedankt sich mit einem Knicks, als Lilian ihr eine Silbermünze zusteckt.
„Herr Wirt, ich hoffe, dies deckt alles ab!“ mit diesen Worten überreicht Lilian dem Wirt zwei Goldstücke. Dieser nimmt die Goldstücke und erwidert „Danke, das ist reichlich genug! Kommt jederzeit wieder, Ihr sollt es nicht bereuen, “ fügt er hinzu.
„Vielen Dank, wir werden sehen!“ antwortet Lilian, wendet sich an Lilli mit den Worten „jetzt müssen wir uns ausruhen, komm Lilli, gute Nacht, Herr Wirt. Danke für alles!“ nickt er Olga und dem Wirt zu, nimmt Lilli am Arm und zieht sie zur Treppe.
„Gute Nacht!“ grüßt Lilli und verschwindet mit Lilian die Treppe hinauf. Endlich kann ich mich ausruhen. Es war alles sehr anstrengend. Ich darf es mir aber nicht anmerken lassen. „Ich wecke dich morgen früh, Lilli, du siehst müde aus, schlaf gut, gute Nacht! Verabschiedet Lilian sich und fügt hinzu “träume etwas Schönes, Gott behüte dich!“


3/18/2018





Sie verschlossen die Türen und gingen dann die Treppe hinunter. Das weiße Seidenhemd, das Lilienprinz trug, leuchtete im dämmrigen Flur, die rote Samtjacke stand ihm sehr gut zu seinen dunkelbraunen Locken. Lillis blauer Rock passte gute zu ihrem Jackett und der weißen Bluse. In der Wirtstube hing ein Geruch von Hähnchen und frischem warmen Brot in Luft und beide merkten, wie hungrig sie sich fühlten. Ein Tisch neben dem Kamin war gedeckt, Brot sowie Traubensaft und Wein standen darauf. Die Magd kam und brachte
eine Schüssel mit Nudeln und Gemüse. Das Brathuhn lag glänzend auf einer Platte. Zwei Teller mit Taubenpastete fügte sie noch hinzu, knickste und wünschte beiden „Wohl bekommt‘s!“
„Meine Güte, ob wir das alles schaffen?“ rief Lilli aus und Lilienprinz schlug vor, soviel zu essen, wie sie schaffen würden und den Rest morgen früh auf die Reise mitzunehmen. Der Saft schmeckte ganz wunderbar und Lilienprinz trank ein Glas Wein.
Nachdem sie ordentlich zugelangt hatten, fragte Lilli: “Lilienprinz, hast du bemerkt, wie uns der Wirt mit seinen schmalen Augen so eigenartig anschaute, als wir eintraten? Und jetzt ist er gar nicht mehr hier zu sehen!“
„Ja, Lilli, ich habe es auch gemerkt. Bitte mach Dir keine Sorgen, morgen sind wir fort von hier! Lass mich jetzt nochmal nach den Pferden sehen.“
„Ja, das wollte ich auch vorschlagen, bevor wir schlafen. Ich möchte wissen, ob sie gut versorgt sind.“
„Ich habe gemerkt, dass der Knecht ihnen Hafer gegeben hat und Wasser, sie haben auch sauberes Stroh für die Nacht. Wir gehen jetzt, damit du dich überzeugen kannst!“
Die Magd kam und fragte, ob sie noch mehr auftragen solle. Die beiden lehnten freundlich ab mit der Bemerkung, wie gut alles geschmeckt habe.
„Wo ist der Herr?“ fragte Lilienprinz, „ich möchte gern alles bezahlen und morgen früh aufbrechen. Bitte packt uns das, was wir übrig gelassen haben, für morgen zusammen.“
Die Magd blickte auf den Boden und erwiderte: “Er ist vor einer halben Stunde gegangen. Ich kann nicht sagen, wann er zurückkommen wird.“
„Gut, wir schauen jetzt nach unseren Pferden und gehen dann schlafen. Wenn er kommt, sag‘ uns bitte Bescheid!“
„Das werde ich!“ erwiderte sie und begann, das Geschirr zusammen zu räumen.




3/17/2018

Pferd, Tier, Tiere, Pferdekopf


Lilienprinz nahm die Satteltaschen ab und stellte sie auf den Boden neben Lilli. Dann führte er  beide Pferde am Zügel, ging mit ihnen hinter das Haus um die Ringe zu suchen, wo er sie anbinden konnte. Unter einem Vordach sah er zwei in die Mauer eingelassene Metallringe und band die Pferde an. Er streichelte sie zärtlich und versprach ihnen „ich komme nachher mit Futter und Wasser für euch liebe Gefährten!“ Er wandte sich um, ging zurück und sah Lilli vor der Eichentür, dem Eingang zu Wirtshaus. „Ist dir auch warm genug?“ fragte er sie und sie nickte. „Komm, lass uns hineingehen!“ forderte er sie auf. Als sie eintraten, konnten sie kaum etwas erkennen, so sehr vernebelten Rauchschwaden die Sicht in der sowieso dämmrigen Gaststube. An einem Tisch in einer Ecke saßen drei ältere Männer mit recht unfreundlichen Gesichtern. Sie tranken Bier aus großen Gläsern. Hinter der Theke blickte sie ein kräftiger Mann mit haarigen Unterarmen und langem schwarzen Bart aus dunklen Augen an. Er spülte Gläser.
„Seid gegrüßt, Herr Wirt, ich bin Lilian und das ist Lilli meine Schwester. Wir sind von weit her geritten und suchen nun eine Bleibe für die Nacht. Können wir das hier bekommen? Vorher brauchen wir etwas Warmes zu Essen und Trinken, es soll Euer Schade nicht sein!“
Der Wirt spülte ruhig seine Gläser weiter und blickte dann auf. „Ich habe zwei Kammern frei. Etwas zu Essen gibt es hier auch. Habt Ihr auch Pferde?“
„Ja, ich habe sie vorhin erstmal hinter dem Haus angebunden!“
„Ihr könnt sie in den Stall bringen, die Magd kann Eurer Schwester die Kammern zeigen. Habt Ihr auch Gepäck?“
„Ja, das bringen wir dann herauf.“
Inzwischen hatte eine junge Frau die Küche verlassen. Sie wischte sich die Hände ab und grüßte die beiden.
„Kommt!“ sprach sie Lilli an, „wir gehen zu den Kammern hoch. Ich heiße Olga.“ Sie trug eine Öllampe vor sich her.
Lilli dankte und folgte ihr über eine steile Holztreppe hinauf zu einem langen Gang. Am Ende schloss die Magd zwei Türen mit ihren großen Schlüsseln auf. „Dies sind die Zimmer, ich bringe Euch gleich Wasser, dann könnt Ihr Euch erfrischen. Wenn  das Essen angerichtet ist, sage ich Bescheid.“
Mit diesen Worten verließ sie die Kammer, stellte die Öllampe und legte die Schlüssel auf einen großen Tisch.
Lilli ging zum Fenster, öffnete vorsichtig einen der Holzladen und schaute in die Dunkelheit. Einige Sterne blinkten und langsam gewöhnten ihre Augen sich daran, dass es so dunkel war. Sie erkannte Bäume und eine Kirchturmspitze. Ein Käuzchen schrie zweimal seinen langgezogenen Schrei  – ein Frösteln überkam sie. Sie schloss den Laden wieder und schaute sich das Bett an. Es war einfach und aus Holz gezimmert, ein Strohsack lag darauf, bezogen mit einem karierten Bezug. Eine dünne gewebte Decke lag auf dem Sack.
Es klopfte und Olga brachte einen Eimer mit Wasser, eine Schüssel und einen leeren Eimer. „Der Abtritt ist hinter dem Haus, geh‘ besser bevor du schläfst, dann musst du in der Nacht nicht hinuntergehen, “ riet sie ihr.
Sie verließ die Kammer und klapperte mit ihren Holzpantinen den Gang hinunter. Lilli blickte auf eine Kommode, auf der ein geblümter Wasserkrug und eine passende Schüssel standen.
Es klopfte und herein kam Lilienprinz mit einem Bündel Kleidern über dem Arm. „Wir können gleich essen und dann endlich ausruhen!“
Lilli wusch sich Gesicht, Hände und Füße. Sie öffnete das Bündel und fand darin auch einen Kamm und eine Bürste. Sie kämmte ihr zerzaustes Haar und flocht es in einen Zopf. Sie entdeckte ein dunkelblaues Wolljacket mit einer gestickten Rose am Revers. Es sah warm aus. Sie zog es an und es passte wie für sie gemacht. Gleich fühlte sie sich besser. Ein paar weiche rote Schuhe zog sie über ihre weißen Strümpfe und stellte die Reitstiefel neben die Kommode. Sie klopfte an die Wand, „Lilienprinz, ich bin fertig!“
Kaum hatte sie ausgesprochen, klopfte er und stand schon an der Tür.
„Lasst uns gehen, komm!“


3/16/2018

Ein kräftiger junger Mann in Lederkleidung und Stiefeln sowie eine hübsche langhaarige Frau näherten sich dem Ufer.
„Guten Abend, Robert!“ grüßte die Frau, wie schön, dass du schon wartest!“
„Gott zum Gruß, Meta und Frigo, ja ich warte. Darf ich euch zwei neue Gäste vorstellen, die auch über den Fluss wollen und beim Ochsenwirt übernachten. Sie sind hier fremd!“
Lilienprinz verneigte sich vor den beiden und Lilli machte einen Knicks. Frigo und Meta grüßten zurück und blickten die beiden an, wie sie da neben ihren schönen Pferden standen und warteten, was nun geschehen würde.
Meta sprach sie an: “Ihr seht müde aus, so als ob ihr weit geritten seid! Wir werden euch den Weg zum Ochsenwirt zeigen, es nicht allzu weit.
„Wir danken Euch!“ erwiderte Lilienprinz.
Robert, der Fährmann schlug vor: „Ich werde zweimal fahren, Lilli mit ihrem Pferd und mit dir Meta, dann zurück und dann Frigo mit Lilienprinz und seinem Pferd. Ist es recht so?“
„Es ist wunderbar“, war die Antwort.
„Also dann!“ meinte Robert und so geschah es. Meta ging voran über eine Holzplanke am Ufer, die aufs Floß führte, auf die dicken schwarzen Holzbretter, unter denen das Wasser gurgelte. Lilli führte Marengo und flüsterte leise mit ihm. Robert stieß ab und den Stecken rhythmisch in das Wasser,  sie schaukelten ein wenig und glitten dann ruhig weiter, alle verhielten sich achtsam und ein fühlbarer Frieden ruhte auf den Passagieren.
Nicht allzu lange ging die Fahrt, sie sprangen auf das Ufer, Marengo so, als ob er nichts anderes getan hätte in seinem Pferdeleben.  Lilli tätschelte ihn zärtlich und er schnaubte ein wenig und scharrte mit einem Huf. Robert wendete das Floß und fuhr zurück um Frigo, Lilienprinz und Stella zu holen. Stellas Atem formte einen dünnen Faden in der Luft. Die Abendnebel bereiteten sich vor, über dem Fluss aufzusteigen, der Abendstern wurde sichtbar und der aufgehende Halbmond. Alles ging gut. Bei der nächsten Anlandung sprang Robert vom Floß und band es mit einem dicken Seil an einem Pfahl fest. Er zog die Planke heran und legte sie auf das Ufer. Frigo ging als erster und hinter ihm führte Lilienprinz Stella Sie verabschiedeten sich herzlich von Robert, Lilienprinz entlohnte ihn großzügig und dankte ihm.
Lilli lehnte sich an Marengo. Sie blickte zu Lilienprinz hinüber, der neben Stella stand und den Anblick der Gegend in sich aufnahm. Er ging einen Schritt auf Lilli zu und nahm ihre Hand.
„Du bist bestimmt müde, Lilli, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann wirst du dich bestimmt ausruhen können!“ Sie nickte und lächelte ein wenig.
„Folgt uns nach!“ forderte Frigo die beiden auf, die ihre Pferde führten. „Wir bringen euch bis zum Dorfrand,  nicht weit davon entfernt seht ihr dann das Gasthaus „Zum goldenen Ochsen“. Ein großes Schild hängt am Haus.
Die kleine Truppe bewegte sich vorwärts, an einem Feldrand entlang bis einige Lichter blinkten, die zu Schemen von Häusern wurden, je näher sie kamen. In der Ferne hörten sie Frösche quaken, das ist bestimmt im Moor dachte Lilli und es fröstelte sie. Ein paar Hunde bellten in der Ferne. Dumpf klangen die Pferdehufe auf dem feuchten Boden.
Der Feldweg endete in einer schmalen, mit Kopfsteinen gepflasterten Straße, sie fielen in einen langsamen Trab. Die Hufe klapperten auf dem Pflaster. Es war jetzt dunkel geworden. Sie trabten entlang der Straße, bis ein großes Haus sie davon überzeugte, dass es das Wirtshaus sein musste. Das goldene Schild des Ochsen blinkte an der Kette, die von einem in die Hausmauer eingelassenen Stab herabhing.

„Wir sind da, Lilli, lass mich sehen, wer da ist und ob wir für die Pferde einen Unterschlupf finden können.“


3/15/2018

Die gemeinsame Reise beginnt


Die schwächer werdenden Strahlen der Nachmittagssonne fallen durch die noch kahlen Zweige. Die beiden verlassen die helle Lichtung und fühlen die beginnende Kühle. Glückliche Eichhörnchen schwingen sich fröhlich gickernd von Ast zu Ast – sie feiern den beginnenden Frühling. Im Farn raschelt es und ab und zu schreit ein Rabe. Ein Rauschen aus der Ferne wird stärker und stärker und bald stehen sie am breiten Fluss. Nicht allzu weit entfernt stürzen Wassermassen herab von hohen Felsen. Ein feiner Sprühnebel verbreitet Nässe. Sie wenden und reiten am Ufer entlang bis das Rauschen leiser und leiser wird und der Fluss ruhig und breit dahinfließt.
Sie reiten weiter, bis sie einen Fährmann sehen, der sein großes Holzfloß am steinigen Ufer festgezurrt hat  und nach Reisenden Ausschau hält.
Er schaut freundlich auf die beiden unter seinen buschigen Augenbrauen hervor.
„Wir möchten den Fluss überqueren, Fährmann, Gott zum Gruße, beginnt Lilienprinz. „Kannst du uns helfen?“
„Es wird noch eine Weile brauchen, ich erwarte noch zwei andere Gäste, die sicherlich bald hier sein werden. Aber vielleicht können wir anfangen, wir werden mehrere Überfahrten brauchen. Zweimal bestimmt. Wohin führt Euer Weg?“
„Wir wollen zuerst ein Nachtquartier suchen. Ist es weit bis zum nächsten Dorf, wenn wir über den Fluss sind?“
„Es sind noch ungefähr 3 Meilen zu reiten, im Dorf ist ein Wirt, den man aber nicht verärgern darf.“
„Womit sollten wir ihn wohl verärgern? Wir möchten nur ein warmes Essen, Futter für unsere Pferde und eine warme Mahlzeit für uns. Am Lohn für ihn soll es nicht liegen und auch dich werden wir gut bezahlen.“
Der Fährmann verbeugte sich.
„Das Dorf liegt am Rande eines gefährlichen Moors. Dort treiben Wesen ihr Unwesen, die Menschen nicht wohlgesonnen sind. Die Leute flüstern, dass der Wirt sich mit ihnen trifft und ihnen sogar hilft, ihre bösen Pläne wahr zu machen. Sie lieben es, diejenigen in die Irre zu locken, die am Moor vorbeikommen und ihnen den falschen Weg vorgaukeln.“
Lilli und Lilienprinz schauen sich an, dann steigen sie ab.
„Wir warten auf deine andere Fahrgäste, Fährmann und fahren danach mit dir hinüber.“
„Da kommen sie schon, mein Sohn Frigo und meine Kusine Meta.“


3/13/2018


Drei Tage bereitete ich mich auf meine Reise vor, packte einige Sachen zum Anziehen und Essen ein. Dann ging ich zu meinem Vater um ihm zu sagen, dass ich nun bereit war. Mein Vater saß an seinem Tisch und schrieb mit einer Feder in ein dickes schwarzes Buch.
„Vater, die Zeit ist gekommen, dass ich Abschied nehmen muss!“
Mein Vater stand auf – ich kniete vor ihm nieder. Er legte mir seine Hand auf den Kopf und hob mich hoch. Wir umarmten uns.
„Möge der Segen des großen Geistes immer auf Dir ruhen, mein Sohn Lilienprinz. Meine Gedanken sind bei dir, bis wir uns wiedersehen.“
Ich ging zum Stall, bestieg mein Pferd und verließ unsere Burg.
Nun bin ich schon sieben Tage auf der Reise und heute habe ich dich endlich getroffen, liebe Lilli. Ich bin so glücklich, dass ich nun nicht mehr allein bin. Lasst uns unsere Taschen packen und weiterziehen. Mein Pferd hat sich gestärkt und mit deinem Pferd verständigt. Ich muss dir noch sagen, dass mein Pferd Stella genannt wird.
„Und wie nennen wir mein Pferd?“
„Ich heiße Marengo, beginnt das Pferd zu sprechen und scharrt ein wenig mit einem Vorderhuf. Lilli geht hin und umarmt Marengos Kopf.
„Lieber Marengo, ich werde immer gut zu dir sein“ verspricht sie ihm. Dann rollt sie das Fell zusammen und schnallt es mit einem Gurt auf Marengos Rücken. Auch Lilienprinz zurrt die Taschen auf Stellas Rücken fest. Als sie sich umblicken, sehen sie, dass die Hasen beobachten, wie sie auf ihre Pferde steigen. Lilli winkt ihnen zu und dann reiten sie los, über die Lichtung hinüber in den Wald hinein.

Auf dem Weg

„Lilli, ich weiß, dass du allein mit deiner Mutter nicht weit von hier lebst. Wir werden zu ihr reiten und ihr sagen, dass du nun mit mir kommst.“
„Ganz so ist es nicht, Lilienprinz, die Frau, bei der ich wohne, ist meine Stiefmutter. Vor langer Zeit starben mein Vater und meine beiden Stiefschwestern an einer schweren Krankheit, die im Land wütete. Nur seine Frau, meine Stiefmutter und ich blieben am Leben. Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben, so hat mein Vater es mir immer erzählt und er heiratete dann meine Stiefmutter mit ihren beiden Töchtern. Ich denke, sie wird mich nicht vermissen und ich sie auch nicht. Im Gegenteil, sie sieht mich als eine Belastung an und wird sich sogar freuen, wenn ich weggehe. Ich werde mich von ihr verabschieden und dich vorstellen und dann bin ich frei!“
So geschah es, der Abschied zwischen Lilli und der Stiefmutter war kalt und die Frau konnte nur mit Mühe ihre Freude darüber verbergen, dass sie nun Lilli los war.





3/12/2018


Der Traum

Lilli hört aufmerksam zu, während sie von den Trauben eine nach der anderen  in den Mund steckt. Lilienprinz schenkt beiden Apfelsaft nach und fährt fort:
„Bevor ich die Reise begann, hatte ich einen Traum. Die Mohnblumenfrau kam zu mir, öffnete einen schwarz-weißen Sack aus Kuhleder und zeigte mir einen kleinen, dunkel glänzenden Becher. Sie gab ihn mir mit der Aufforderung, daraus zu trinken. Er war leer. Fragend schaute ich sie an. Sie nickte und ich setzte ihn an meine Lippen. Kaum getan, spürte ich eine süße Flüssigkeit und trank. Sie erklärte mir, dass dieser Saft mich stärken würde und befähigen, auf meiner Reise Dinge vorherzusehen, was auf mich wartete. Immer, wenn ich spürte, dass die Kraft mich verlassen würde, sollte ich den Becher zum Mund führen und daraus trinken. So würde meine Kraft zurückkehren mit dem Saft, den mir der Becher geben würde.
Wieder griff sie in den Sack und zog einen Strauß mit Mistelzweigen hervor. Er war schon ein wenig trocken, nur die gelbgrünen Beeren schimmerten frisch und glasig an den Zweigen.
Sie erklärte, dass diese Beeren mir zeigen würden, wie es meiner Mutter und meiner Schwester ging. Wenn sie glänzten, bedeutete dies, dass es den beiden gut ginge. Sollten sie trüb und schrumpelig aussehen, bestünde Gefahr für die beiden. Wieder griff sie in den Sack und zog eine Kugel heraus. Sie sah aus wie ein Spiegel. Sie riet mir, diese Kugel immer in meiner Hosentasche zu tragen. Sollte ein gefahrbringendes Wesen auftauchen, so sollte ich ihm die Kugel entgegenstrecken. Das sollte das Wesen blenden und lähmen.

Außerdem erklärte sie mir, dass der Saft auch meinem Pferd helfen könnte, sollte es sich verletzen oder erschöpft sein. Auch erlaubte sie mir, diejenigen von dem Saft trinken zu lassen, von denen ich glaubte, sie würden ihn brauchen. Sie beendete ihre Anweisungen noch mit dem Rat, in die Spiegelkugel zu schauen, sollten die Mistelbeeren sich trüben. So sollte ich sehen, wie es um meine Schwester und meine Mutter steht. Dann legte sie ihre Hand auf meine Stirn und verschwand.
Als ich am Morgen aufwachte, fand ich neben meinem Bett einen dunkelglänzenden Becher, einen Strauß Mistelzweige, dessen Beeren matt wie Perlen glänzten und eine silbern spiegelnde Kugel. Der Traum fiel mir ein. Ich nahm die Dinge und verwahrte sie in einer Truhe.


3/11/2018


„Ja, das bin ich, Lilienprinz, ich bin so hungrig vom Spielen und ich möchte zu gern wissen, was das alles zu bedeuten hat…“
Lilienprinz nimmt 2 Ledertaschen, die hinter dem Sattel hängen, stellt sie dann neben die Birke. Aus der einen holt er ein weiches Schaffell und legt es aufs Gras. Als er die andere Tasche öffnet, rollen mehrere rote Äpfel heraus. Ein Henkelkörbchen  enthält Weintrauben und in Weinblätter gewickelte Käsestücke. Auch eine Flasche Apfelsaft holt er herau, sowie braune Tonschalen. Weißes Brot duftet einladend und sie beginnen zu essen.
„Lilienprinz bitte erzähle mir mehr von der Mondblumenfrau und von dir. Woher kommst du? Welche Reise meinst du?

Lilienprinz erzählt seine Geschichte

„Lilli, ich komme von weither, sehr weit, aus einem Land, wo alle Menschen glücklich waren, bis etwas geschah, das sich bis heute nicht geändert hat. Mein Vater lebt dort noch, eingehüllt von seinem großen Kummer. Vor vielen Jahren, als ich noch klein war, hat ein mächtiger Zauberer meine Mutter und meine Schwester Livana mit sich genommen. In einer schrecklichen Sturmnacht erlaubte er dem Sturm,  das Tor zu unserer Burg aufzubrechen. Auf seiner schwarzen Wolke flog er durch die Gänge zum Schlafzimmer meiner Eltern, er hüllte sie und meine Geschwister Livana und meinen Bruder Jalmari, einen Säugling, ein in seine Wolke und alle flogen durch das Tor wieder hinaus. Es ging alles so schnell, die Hilfeschreie meiner Mutter weckten meinen Vater, aber er konnte nichts mehr tun. Er stand hilflos neben dem Bett und hörte das höhnische Gelächter des Zauberers. Ich schlief in einem anderen Zimmer. Am nächsten Morgen erfuhr ich alles von meinem Vater.
So lebten mein Vater und ich eine Weile allein. Nur die Kinderfrau, die für mich und meine Schwester gesorgt hatte, bevor das Unglück geschah, blieb noch bei uns. Die Amme meines kleinen Bruders kehrte zu ihrer Familie zurück.
Diese Kinderfrau ist die Mohnblumenfrau, von der ich dir schon erzählt habe.“
Lilli hörte mit großen Augen zu und unterbrach Lilienprinz nicht.

Er nahm einen Schluck von dem Saft und erzählte weiter:
„Die Mohnblumenfrau sorgte für meinen Vater und mich, sie liebte mich wie eine Mutter. Als ich 16 Jahre alt war, erwähnte sie, dass ich nun bald eine weite Reise antreten würde. Sie erklärte mir, wo ich dich finden würde und dass du meine Begleitung sein würdest. Als ich 18 Jahre alt war, ging sie zu meinem Vater und erklärte ihm, dass es nun meine Aufgabe sein würde, meine Mutter und meine Schwester zu befreien, sie lebten als Gefangene und Dienerinnen  bei dem Zauberer in seinem Sturmpalast, weit weit fort. Sie wussten aber, dass ich kommen würde, um nach ihnen zu suchen. Daher hat sie der Mut bis jetzt nicht verlassen.


3/10/2018


Sie öffnet bald die Augen. Sie schaut sich um – da erblickt sie einen weißen Schimmer zwischen den Bäumen am Rand der Lichtung. Sie kneift die Augen ein wenig zusammen – dieser weiße Schimmer bewegt sich zwischen den Stämmen, kommt näher und näher – sie erkennt ein weißes Pferd. Der silberne Schwanz wippt ein wenig, die Mähne schimmert silbern und auch die Hufe blitzen auf, wenn das Pferd sie aus dem Gras hebt. Das Zaumzeug ist schwarz, lange Wimpern umranden  die dunkelblauen Augen dieses besonderen Pferdes. Es wird am Zügel geführt von einem jungen Mann, dessen dunkles Haar die Schultern berührt. Mit seinem roten Anzug kann Lilli ihn jetzt auf der Lichtung wunderbar beobachten. Sie sitzt ganz still und betrachtet dieses wunderhübsche Pferd und seinen Führer.  Langsam kommen sie der Lichtungsmitte näher. Lilli ist fasziniert, sie steht auf, als Pferd und Führer halt machen.
„Guten Tag, Lilli“ begrüßt sie der junge Mann lächelnd. „Ich freue mich, dass ich dich endlich gefunden habe. Ich bin Lilienprinz und habe erfahren, dass du hier im Wald bist. Die Mohnblumenfrau hat es mir gesagt, als ich bei ihr rastete.“
„Woher kennst du mich, Lilienprinz?“ fragt Lilli staunend.
„Lilli, als ich ein kleiner Junge war, hat die Mohnblumenfrau mich gepflegt. Sie hat mir immer von dir erzählt und davon, dass ich dich eines Tages finden werde und du meine Begleiterin sein wirst auf meinen Reisen. Sie hat heute eine Nachricht an deinen Vater geschickt, dass du von jetzt an bei mir bleiben sollst und mir helfen wirst!“
„Warte einen Augenblick, Lilienprinz“ antwortet Lilli- Sie legt ihre Hände auf ihre Augen und bleibt eine Weile ganz still. Als sie die Hände herunternimmt, lächelt sie Lilienprinz an. „Du hast Recht, mein Vater hat zu mir gesprochen. Er bestätigt, dass ich bei dir bleiben soll.“
Lilienprinz nickt ihr zu, geht dann ganz dicht an sein Pferd heran und flüstert ihm etwas ins Ohr.  Das Pferd bewegt die Ohren hin und her und beginnt, mit dem linken Huf zu scharren. Ein kleines Loch entsteht auf der Erde, das größer und größer wird und eine weiße Rauchwolke steigt aus ihm herauf. Der Rauch wird dichter und dichter, bis er langsam und in den Himmel steigt und sich verflüchtigt. An seiner Stelle steht ein etwas kleineres Pferd als das große Weiße. Das hellbraune Fell ist mit kleinen und größeren weißen Pünktchen übersät. Die hell schimmernde Mähne und der Schwanz schimmern wie Seide. Es zieht die Lippen ein wenig hoch, als wollte es lächeln. Ein brauner Sattel liegt auf seinem Rücken, der mit kleinen weißen Lilien bestickt ist. Ein Bündel aus blauem Stoff steht neben den Vorderhufen des Pferdes.

„Dies ist jetzt dein Pferd, Lilli, in dem Bündel findest du einige Kleider und einen Mantel für dich. Etwas zu essen habe ich für uns mitgebracht und ich finde, wir sollten uns jetzt etwas stärken, bevor wir unsere Reise beginnen. Dann erzähle ich dir, wohin wir reiten werden und wobei du mir helfen sollst. Bist du damit einverstanden?“

3/09/2018

Lilli  und Lilienprinz

Ein phantastisches Abenteuer für Kinder und Erwachsene
von
Gerwine Ogbuagu





Begegnung

Federige Wölkchen verschleierten die Sonne. Lerchen stiegen auf und nieder, Stare schaukelten fröhlich auf den Ästen der Bäume, auf deren Zweige schon
Grün sprießte. Märzhasen spielten im Gras der Waldlichtung und kleine Waldmäusekinder huschten unter den Büschen hin und her. Etwas weiter entfernt schien sich ein Stück des Rasens zu bewegen, sanft nach oben zu wölben, bis sich ein kleiner Haufen Erde auftürmte, der auf dem Rasen liegen blieb. Ganz in der Nähe geschah dies noch einmal und noch einmal, bis schon sieben Hügel sich versammelt hatten. Maulwürfe konnten sich endlich wieder frei unterirdisch bewegen, weil die Erde aufgetaut war nach dem allzu langen und kalten Winter.
Mitten auf der Lichtung sitzt ein Mädchen. Sie spielt mit den neuen zarten Grashalmen und schaut auf die spielenden Hasen. Ganz still sitzt sie. Wenn die Hasen näher kommen, klatscht sie in die Hände und ruft:
“Kommt zu mir, ihr Häschen, ich möchte mit euch spielen!“
Die Häschen winken ihr zu und rufen „Gern, Lilli, komm‘ und spiel mit uns!“

Sie springt auf und alle tollen auf der Wiese herum und spielen fangen, wenn sie eines fängt, hält sie es zärtlich auf ihrem Arm,  schnuppert das weiche Fell und streichelt die schönen langen Löffel, deren rosa Unterseite schimmert. Lillis braune Locken fliegen um ihr Gesicht und sie lacht begeistert, wenn sie wieder ein Häschen fangen kann. Nach einer Weile lehnt sie sich müde und erhitzt an einen Birkenstamm, dort ruht sie ein wenig aus. Sie blickt um sich herum, beobachtet den Waldrand und sieht, wie Mäuse hin und her huschen. Sie schließt die Augen und für eine Weile schläft sie sogar.